Self-Priority – Am Beispiel einer Auto-Geschichte

Meine Beziehung zu Autos begann in jungen Jahren nicht unbedingt mit der größten Begeisterung. Als wir uns in der Familie endlich ein Auto leisten konnten, war das ein viel größerer Stolz für meinen Vater als für mich. Zugegebenermaßen habe ich mich gefreut, aber den Vorteil konnte ich zunächst nicht sehen. Dafür spürte ich umso mehr die Nachteile, zum Beispiel diesen Satz meines Vaters:

„Wir müssten mal wieder das Auto waschen!“

Interessanterweise hieß es immer „wir,“ aber gemeint war natürlich ich. Mein „Auto-Leben“  begann also mit dem Gefühl, dass man damit immer eine Menge Arbeit hat. Und auch an die 10-stündigen Urlaubsfahrten habe ich nicht die schönsten Erinnerungen.

Interessanter wurde es dann, als ich mein erstes Auto-Quartett-Spiel bekam. WIr schossen uns natürlich auf bestimmte Marken ein und hatten Favoriten mit entsprechenden PS-Zahlen. So wurden plötzlich die Autos wichtig, mit denen man die höchsten Chancen hatte, das Spiel zu gewinnen. Schon interessant, welche Prägungen schon damals entstanden! Zum Beispiel war die Marke Jaguar ganz wesentlich im Quartett, und bis heute erzeugt der Name in mir ein ganz  bestimmtes Gefühl.

Als dann Fernsehen und Kino in meinem jugendlichen Leben wichtiger wurde, kamen auch von dort Anregungen, welche Autos besonders toll sind und welche nicht. Als Jugendliche mochten wir natürlich Autos, die einen bestimmten Lebensstil verkörperten. Die Auto-Träume, die wir als Schüler und junge Studenten hatten, waren wesentlich vom Äußeren geprägt.

So hatte vieles in meinem Leben, ob es nun der Beruf war oder auch das erste eigene Haus, sehr viel mit dem Blick von außen – der Fassade – zu tun. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich lernte, dass es kaum darauf ankommt, wie etwas von außen ist, sondern auf das Innere.

Eine nette Anekdote: Ich wollte einmal einen Porsche 911 kaufen. Also betrete ich den Showroom des Händlers und versuche, mich bequem hinein zu setzen, aber es klappt nicht. Ich bin einfach zu groß für diesen Wagen! Sagt der Verkäufer, „Naja, Sie müssen halt ein bisschen hin und her ruckeln und ein bisschen runterrutschen.“ Das fand ich dann doch crazy, 150.000 auszugeben, nur um dann ein bisschen hin und her zu ruckeln und runterzurutschen, damit ich reinpasse.

Solche Autos schieden dann für mich aus, es passte einfach nicht. Insbesondere eine Bandscheiben-OP, half mir konsequenter auf meine Sitzposition zu achten. Das heißt aber nicht, dass ich dann völlig frei davon war, mich vom Außen beeindrucken zu lassen. Auf dem Weg vom Außen nach Innen kaufte ich (damals noch in Bern) zwei Autos, mit denen ich schon auf dem Weg zu einem relativen Understatement war – aber wie Sie an meiner „Macker“-Pose deutlich sehen, war ich immer noch sehr in der Außenwirkung gefangen.

Das Foto wurde damals übrigens auf einer Wiese aufgenommen, in deren Nähe ich zufälligerweise heute wohne. Aber in der Zwischenzeit hat sich vieles verändert. Mein Fokus ist fast vollständig von der Außenwirkung auf Gestaltung von innen heraus geschwenkt, sowohl im Geschäfts- als auch im Privatleben.

Und diesen Wechsel sieht man in meinen heutigen Autos: Das eine ist ein Mini Clubman, ideal auf den engen Straßen und kleinen Parkplätzen hier der Schweiz. Immer wieder sagen Mitfahrer „Boah, der hat ja innendrin viel mehr Platz, als man von außen denkt!“ Ja, kaum zu glauben: Ich habe nicht das Auto ausgewählt, das beim Quartett gewinnen würde, sondern das, in dem ich bequem und frei sitzen kann kann und Rundumblick habe.

Bei der Autosuche hatte ich mir sogar einen Bentley angeschaut, aber in der Werkstatt wurde mir gesagt, „Sie müssen immer Strom anschließen, sonst ist die Batterie ziemlich schnell alle.“ Das erinnerte mich an meinen Mercedes E55 aus Bern, bei dem die Batterie oft schneller leer war als der Tank. Es stand meistens in der Hotelgarage des Bellevue in Bern, ohne Strom und brauchte immer Service wenn ich nach Bern in die Stadt kam.

2017-01-17-2Als ich mein Büro noch in der Lüneburger Heide hatte, bestellte ich einen Alexander-Technik-Lehrer zu uns, damit wir alle lernen konnte, einigermaßen richtig zu sitzen, um den Energiefluss und die Gesundheit zu wahren. Ich sah, wie er in einem alten VW Käfer ankam. Zunächst dachte ich, „ach ja, naja, ein klassischer Helfer, er verdient halt nicht so viel und kann sich keinen größeren Wagen leisten.“ Aber er klärte mich auf und sagte, es sei wirklich das einzige Auto, in dem man wie auf einem Stuhl richtig sitzen kann. Diese Geschichte ließ mich über die Jahre nicht los, und nach meiner Odyssee über diverse Luxus-Autos landete ich dann tatsächlich jetzt auch bei einem Käfer.

Nun genieße ich es, bequem und frei und gesund und gerade darin zu sitzen, muss kein Handtuch um meinen Hals wickeln (dies hatte mir mal ein Orthopäde geraten, weil er sagte, man könne in den meisten modernen Autos nicht gesund sitzen man zieht immer unbewusst den Kopf runter und lässt die Schulter sacken, was zu starken Verspannungen führt) und fühle mich wohl mit einem Rundum-Blick. Und dabei ist es mir gleich-gültig, ob andere Menschen sich nun sorgen, dass der Sonnenburg sich kein großes Auto mehr leisten könne.

Das wirklich Wichtige ist gratis

Das alles erzähle ich nicht, weil ich Provisionen von Autofirmen bekommen, sondern weil mich diese Frage immer wieder beschäftigt: Ist es nicht interessant, wie sehr Menschen das Äußere betonen: Von Autos, oder Wohnungen, Häusern, oder sogar Beziehungen? Man ist fokussiert darauf, welchen Eindruck das Äußere auf Andere macht, und ist im Austausch dafür freudig bereit, die eigene Gesundheit – körperlich oder geistig – zu ruinieren!

Es hat Jahrzehnte gedauert, bis ich erkannt habe, dass das richtige Auto nicht das ist, was die meisten erstaunten Blicke von der Außenwelt bekommt, sondern das, in dem ich mit meinem Körper, meiner Figur, meinen Maßen am besten sitzen kann und meine Milliarden Zellen sich am wohlsten fühlen. Und es hat Jahrzehnte lang gedauert, bis ich gemerkt habe, dass der Strand und die Sonne gratis sind und man deshalb nicht in ein Luxushotel gehen muss.

Es ist nicht leicht, unseren über oft viele Jahre erlernten, eingeschliffenen, eingepeitschten Blick auf das Außen zu durchdringen. Aber ich garantiere Ihnen: Wenn Sie es schaffen, auf das wirklich, wirklich Wichtige zu schauen, wird sich Ihr Leben um 180 Grad wenden – es ist, als würde sich ein Cabrio-Verdeck öffnen, von dem Sie nie wussten, dass Sie es überhaupt haben.

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