Als ich diese Geschichte zum ersten Mal hörte, wurde ich sehr nachdenklich und es hat mein Leben verändert.
Ich liebe Erfolg. Wer mag schon gerne auf der Verliererseite sein?
Ich mag ein gefülltes Bankkonto. Wer mag schon immer streng rechnen müssen?
Und doch, es gibt etwas, was wichtiger ist.
Hier ist die Geschichte:
Stellt Euch vor, nachts im Auto. Ihr fahrt allein durch eine Gegend, die ihr noch nicht kennt. Es regnet, besser gesagt, es stürmt. Ein Unwetter. Es wird noch eine Zeit dauern, bis ihr zu eurem Ziel kommt.
Nun es seid ja nicht ihr die Person, die fährt. Ich erzähle es jetzt, als sei es meine Geschichte gewesen.
~ ~ ~
Scheiss Wetter, manchmal ist die Strasse kaum zu sehen, so giesst es.
Weit und breit keine Menschenseele, einsame Gegend. Und dann passiert, was sich keiner wünscht, der Motor streikt, ich kann gerade noch hinter einer Kurve einen halbwegs sicheren Platz am Strassenrand errollen. Shit! Und nun?
Ich bin nicht der Techniker, der vielleicht dieses Problem lösen könnte. Am Benzin scheint es nicht zu liegen, die Tankuhr zeigt noch genügend an. Welchen Rettungsdienst kann ich anrufen? ADAC oder so etwas? Shit hoch 2 – natürlich ist in dieser Gegend oder bei diesem Wetter hier kein Empfang.
Also warten, ob ein anderes Auto vorbeikommt. Nach einer Stunde werde ich ungeduldiger und ungeduldiger. Es wird auch immer kälter, ich kann ja nicht die Maschine die ganze Zeit laufen lassen, um zu heizen.
Was tun? Warten bis zum Morgengrauen? Davor graut mir. Es regnet stark und dennoch bekomme ich den Drang auszusteigen. Durch die Scheiben kann man nichts sehen – vielleicht wenn ich aussteige? Oder ist es die Hoffnung, dass dann ein Auto kommt?
Ich traue mich raus – es giesst immer noch. Doch irgendetwas muss ich tun. Weit und breit nichts zu sehen. Kein Haus … kein Schild … oder doch? Was ist das da hinten, etwas den Berg hoch? Ist dies vielleicht ein Licht? Ein Haus? Schwer zu erkennen. Was habe ich für eine Alternative? Wenn es ein Haus ist, vielleicht haben die ein richtiges Telefon und ich kann Hilfe bestellen. Oder vielleicht nur im Trockenen warten?
Hier ist seit Stunden kein Auto vorbeikommen. Wird wohl nicht gerade jetzt eins kommen, wenn ich mich Richtung dieses möglichen Lichtes bewege.
OK, langes Grübeln bringt nichts, auf in Richtung des möglichen Lichtes. Schnell über die Strasse und irgendwie in die Natur Richtung Licht.
Kaum bin ich über die Strasse, stosse ich gegen einen Zaun. Also doch ein Haus? Kann eigentlich nicht sein, dass hier dieser Zaun zum Haus gehört, ist das Licht doch noch so weit weg. Wenn es denn mal überhaupt ein Haus ist. Tja und was ist das dann hier?
Ich gehe an dem Zaun entlang und komme an eine Pforte, die sich sogar etwas öffnen lässt. Ich will da eigentlich nicht rein, doch das Licht liegt genau in dieser Richtung. Also gehe ich rein, um konsequent Richtung Licht zu gehen.
Alles ist so dunkel, so finster, ich kann meine Hand nicht vor Augen sehen und schon stolpere ich. Über etwas grösseres hartes. Kann nicht richtig ausmachen was es ist. Telefon – da ist eine TaschenlampenApp. Ich hole mein Smartphone hervor und versuche im Dunkeln die App zu finden. Und als es mir gelingt, sehe ich … einen Grabstein. Es muss ein Grabstein sein, denn genau wie auf einem Friedhof sieht es hier aus. Oh Gott, auch das noch.
Ich leuchte den Stein genau an, um zu lesen, was da drauf steht.
Ein Name und eine Zahl. Name und 4 Jahre. Ich stolpere nach kurzem Nachdenken weiter. Ich will wissen, ist das Licht ein Haus oder zurück zum Auto. Und ich stolpere über weitere Grabsteine. Gruselig. Immer ein Name und eine Zahl. Mal 2 Jahre, mal 3½, mal 4. Oh Gott, ich bin auf einem Kinderfriedhof gelandet.
Das macht mir den Abend nur noch ungemütlicher. Umso schneller will ich weiter. Ich komme an die andere Seite, wieder ein Zaun, aber auch zum Glück eine Pforte. Nix wie durch und weiter in Richtung Licht. Das Licht bewegt sich nicht. Also fix. Die Chancen steigen. Und je näher ich komme, desto wahrscheinlicher wird es, dass es ein Haus ist.
Ich versuche, das gruselige Friedhofsgefühl, abzustreifen.
Einfach weiter. Und je näher ich nun dem Haus komme, so klarer wird es: Gott sei Dank! – ein Haus.
Endlich ist es erreicht. Ich läute und zum Glück höre ich Schritte. Die Tür geht auf und ich bin so dankbar.
Entschuldigen Sie bitte, sage ich, ich bin mit meinem Auto liegen geblieben. Habe eine Stunde gewartet, aber es kam kein anderes Auto vorbei und mein Telefon hat keinen Empfang. Es war so unangenehm, dass ich mich aufmachte, Hilfe zu finden. Als ich Ihr Licht sah, hielt mich nichts, nicht einmal der Kinderfriedhof ab, hierher zu kommen, um Sie um Hilfe zu bitten:
Darf ich, kann ich bei Ihnen telefonieren? – Ja telefonieren sollte gehen. Doch was meinen Sie mit Kinderfriedhof? – Naja, hier in dieser direkten Linie ist doch ein Kinderfriedhof, und ich zeigte in die Richtung, aus der ich kam. – Aha, ja da ist ein Friedhof, aber doch kein Kinderfriedhof.
Doch, doch, sagte ich, auf jedem Grabstein standen nur wenige Lebensjahre.
Ah, jetzt verstehe ich, was Sie meinen, sagte der Hausbesitzer, nein, das ist kein Kinderfriedhof. Wir haben hier nur die Sitte, nicht das Geburts- und Sterbedatum auf den Grabstein zu schreiben, sondern die Anzahl der glücklich gelebten Jahre.
Und da wurde mir dann ganz ungemütlich. Sofort reflektierte ich, hatten die aber wenige glückliche Jahre, … und dann … welche Zahl würde auf meinem Grabstein stehen?
Ich vergass fast, dem Hausbesitzer ins Haus zu folgen. Plötzlich realisierte ich – was mir bisher im Leben so wichtig war, spielt kaum eine Rolle, wenn die Zahl auf meinem Grabstein klein bleibt.
Und so nahm ich mir, nachdem ich wieder bei mir zu hause angekommen war, die Zeit mein Leben zu überprüfen, neu zu ordnen und die Prioritäten anders zu setzen.
So viele denken darüber nach, ob es ein Leben nach dem Tode gibt.
Wie wäre es mit einem vollen glücklichen Leben erst einmal in diesem Leben hier?!
Herzlichst
Wolfgang
winning for life