Immer wieder geistert das Thema durch die Presse, dass es ein eklatantes Missverhältnis gäbe zwischen den Einkommen der Facharbeiter und der Top-Manager, und dass die Managergehälter total überdreht und überhöht seien. Schließlich sei dieser Unterschied nicht mehr „nur“ das 25-fache wie früher, sondern das 200-fache oder mehr. Unverschämt! Ein Skandal!
Unverschämt? Wirklich?
Unverschämt kann doch nicht die Höhe an sich sein, sondern allenfalls, ob es fair ist oder nicht, wirklich verdient oder „erschummelt.“
Wie ich immer sage: Es ist wichtig, die richtigen Fragen zu stellen. Und die richtige Frage in diesem Fall ist nicht „Ist es unverschämt?“ sondern „Wird der Wert gewürdigt?“.
Es ist ganz simpel: Das Einkommen soll dem Wert entsprechen, den man liefert. Wer einen hohen Wert liefert, der darf auch ein hohes Einkommen verdienen. Wer den Eigentümern eines Unternehmens einen Wert von einer Milliarde schafft, bekommt mit 50 Millionen Gehalt ein fair exchange, eine faire Gegenleistung.
In der Diskussion um die Managergehälter wird dann häufig eingewendet, dass ja alle gemeinsam, also auch die anderen Angestellten, diese Milliarde erarbeitet hätten. Da muss man aber ganz genau hinschauen. Als das Managergehalt noch das 25-fache des Angestelltengehalts betrug, war die Welt eine andere als heute. Durch den Einsatz von IT, Robotern, Lean Management und vielen anderen Verbesserungen wurde der Mittelbau in Unternehmen überflüssig. Gleichzeitig gibt es heute viele Tätigkeiten, die nicht mehr so hoch spezialisiert sind wie es früher der Fall war. Mitarbeiter sind – man kann dieses Faktum mögen oder nicht – leichter ersetzbar geworden.
Wer sich also im Arbeitsmarkt bewegt, sollte sich dieser Grundfragen bewusst sein:
- Ist für meine Tätigkeit ein Markt vorhanden?
- Wie gut kann ich diesen Markt bedienen?
- Wie leicht ersetzbar bin ich?
Kreativität: Kapital der Zukunft
Mich selbst fuchst es auch, dass zum Beispiel Krankenschwestern oder Polizisten so schlecht bezahlt sind, obwohl sie doch eine so enorm wichtige Tätigkeit ausüben. Aber sie sind leicht ersetzbar, anders als zum Beispiel ein Ronaldo, der seinen Vereinen immense Werte er„spielte.“ Wir müssen uns daran gewöhnen, dass der Strukturwandel dazu führt, dass in Zukunft diejenigen am höchsten bezahlt werden, die gestalten können und das Gestaltete auch umzusetzen, also kurz: die Kreativen, im Wortsinne die Erzeuger. Wissen alleine oder einfache Handgriffe zu können bringt keine großen Vorteile mehr. Deshalb gibt es in Deutschland Millionen von Menschen, die für Mindestlohn arbeiten: Weil es die simpelsten Tätigkeiten sind, die leicht ersetzbar sind.
Die Menschen wären gut beraten, wenn sie sich darauf konzentrierten, sich weiter zu entwickeln. Ihren persönlichen Wert zu erhöhen. Wie sagte Jim Rohn immer:
Wenn du hart in deinem Beruf arbeitest, kannst du deinen Lebensunterhalt verdienen. Wenn du hart an deinem Wert arbeitest, kannst du ein Vermögen machen.
In Zukunft werden die großen Gewinne von denen geschaffen, die kreativ und flexibel sind und damit Besonderes leisten; nicht mehr nur von denen, die gute Noten hatten oder nur fleißig arbeiten. Wir werden eine andere Resultats-Orientierung haben. Stechuhren, die nur die Anwesenheit zählen, werden verschwinden oder bleiben für die niedrigsten Tätigkeiten, die nur nach Zeit abgerechnet werden.
Wir sollten uns dafür einsetzen, dass schon die Bildung anders gestaltet wird, um Menschen von Anfang an mehr in den Mut und in die Kraft der Kreativität zu bringen: In den Mut zur Einzigartigkeit und den Mut, Denkstrukturen aufzulösen und kreativ zu sein.
Verdienst braucht keine Rechtfertigung!
Am vergangenen Wochenende nahm ich am Kongress cité de la réussite teil. Es war die bereits 25. Veranstaltung dieser Art an der Sorbonne in Paris zum Motto „Die Welt verstehen, verbessern und transformieren durch Dialog und Debatten.“ Dort erlebte ich ein Interview mit Carlos Ghosn, dem Präsidenten von Renault. Er wurde auch gefragt, was er von dieser Einkommens-Entwicklung hält, und wie er selbst damit klar kommt, dass er so viel Geld verdient und andere so wenig.
Er antwortete, dass dies die falsche Frage sei. Als Leiter eines großen Konzerns stellt er sich Fragen wie: „Wie schaffe ich es, mein Unternehmen weiterzuentwickeln, es nach vorn zu bringen und vorn zu bleiben?“ Und er sagte:
„Ich bin bereit, für die Besten den erforderlichen Preis zu zahlen. Ich will die besten Leute in meinem Team. Weil sie sich wechselseitig unterstützen, und weil die Besten auch die beste Zukunftsgarantie geben. Wenn ich will, dass mein Team die Nummer 1 in der Formel 1 wird, werde ich nicht über das Honorar des Fahrers verhandeln.“
In Deutschland spricht man schon vom War of Talents, dem Kampf um talentierte Menschen, der zum einen aus der demographischen Entwicklung erwächst und zum anderen daraus, dass es sehr wenige Menschen gibt, die kreativ und mutig genug sind, um wirklich Besonderes zu leisten. Die technologische Entwicklung wird weiterhin dazu beitragen, dass auch in Zukunft sehr wenige Leute sehr viel verdienen.
Für uns ist es deshalb wichtig darauf zu achten: Es geht im Leben nicht nur darum, ob etwas gerecht oder nicht gerecht ist. Und es ist idiotisch zu reglementieren, ob ein Manager das 25-fache, 100-fache oder 200-fache verdienen „darf.“ Wichtig ist, die betrügerischen Auswüchse zu bekämpfen, denn die gibt es auch, vor allem weil in Vorständen heutzutage immer weniger Unternehmer und immer mehr Arbeit-Nehmer sitzen. Dort, wo es fair läuft – fair im Sinne von fair exchange, dem fairen Austausch von Wert gegen Entlohnung –, dort liefern die Leute auch gute Arbeit. Und dann sollen sie auch verdienen dürfen, was sie wollen, und was fair bleibt.
Die richtige Frage ist also nicht: „Wie kann ich unterbinden, dass einige mehr verdienen als andere?“ Unsere Frage muss immer sein: „Wie bringen wir möglichst viele Menschen dahin, dass sie ihren persönlichen Wert steigern können, den sie als Dienstleitung anbieten?“ Dann hätten wir keine Mindestlohndebatte mehr, denn es sollte für jeden möglich sein, seinen persönlichen Wert über 3, 4, 5 Euro und sogar über 8 Euro 50 zu steigern. Und wer auf diesem Weg weiter denkt und sich ein Leben lang weiter entwickelt, der hat auch Möglichkeiten, in sehr hohe Regionen des fairen Einkommens vorzustoßen.