“A friend wants you to like his page,” schreibt mir Facebook mehrmals pro Woche. Aha, denke ich dann, jemand hat eine neue Facebook-Seite angelegt und dann auf den Knopf gedrückt, der an alle seine Kontakte eine Nachricht schickt: Bitte möge meine Seite!
Eigentlich sollten inzwischen alle wissen, dass der Wert von „Likes“ immer mehr gegen Null geht – heutzutage bekommt man ein Tausender-Pack schon für ein paar Dollar. Trotzdem sind viele noch auf der Jagd nach “Likes” oder “Friends.” Und bemerken nicht, dass sie eigentlich nur auf einem Ego-Trip sind, mit dem sie anderen – und oft wohl auch sich selbst – weis machen wollen, dass sie mehr Wert liefern können als tatsächlich vorhanden ist.
Anselm Grün hat in seinem Buch Versäume nicht Dein Leben! geschrieben: Es gibt so viele Menschen, die sich selbst in ihrem Kreis drehen, die in ihrer eigenen Grandiosität oder ihrem Narzissmus verhaftet sind. Die kommen dann zu ihm und sagen, sie müssten unbedingt mit ihm sprechen, weil sie schon so viel Erfahrung haben und so erleuchtet seien und so weiter, und deshalb könnten sie natürlich nur noch mit den großen Meistern arbeiten. Diese Leute, so sagt er, haben eben gar nichts begriffen. Die, die wirklich großartig sind, kümmern sich nicht mehr um ihre eigene Großartigkeit. Dann sind andere Dinge wichtig, und gerade nicht das Ego.
Das eine ist die Fassade, das Ego – das andere ist das, was dahinter steckt, das wahre Ich. Und schon bei so simplen Dingen wie bei der Jagd auf Likes zeigt sich, wie ein Mensch tickt: Ob er sein wahres Ich lebt und darauf vertraut, dass die Richtigen ihn finden, oder ob er herumschreit und andere dazu nötigt, einen Knopf zu drücken, um sein Ego mit einer Fassade zu stützen.
Viele schimpfen über Politikverdrossenheit, oder darüber, wo sie beschissen werden – nicht nur beim Gebrauchtwagenhändler, sondern an jeder Ecke. Aber genau die sollten sich an die eigene Nase fassen und sich fragen: Lebe ich meine eigene Wahrheit? Lebe ich mich selbst, oder bastle ich tagaus tagein an meiner Fassade, damit ich nach außen hin groß wirke?
Yogananda und auch Thích Nhất Hạnh drücken es sehr freundlich aus: Es geht nicht darum, einmal sonntags in die Kirche zu gehen und sich dann den Rest der Woche nicht mehr darum zu scheren. Und so wünschen wir uns alle Liebe und Respekt, aber wenn wir uns selbst die Liebe und den Respekt nicht geben und nicht wir selbst sind, wird es zum großen Problem.
Wer sein wahres Ich lebt, dem ist es egal, wie viele Likes er bei Facebook bekommt. Und wenn die Substanz da ist, dann kommen die Likes so wie es sein soll, nämlich von Menschen, die die Seite – und das Produkt und die Menschen dahinter – wirklich mögen.
Erfolg ist eine der Konsequenzen daraus, sein wahres Ich zu leben, ganz egal, wie viele andere Leute auf irgendwelche Daumen-Symbole klicken. Man kann immer wieder beobachten, dass die Leute, die ihre Wahrheit leben, überdurchschnittlich mehr Likes kriegen als die, die nur Marketing-Fake betreiben. Und Fakes wie diese führen am Ende zu Gammelfleisch- und ähnlichen Dramen, die Aufsehen erregen, dann genau so schnell verpuffen wie sie kamen und die Gesellschaft nicht wirklich verändern.
Nun könnte man sagen, wie Gandhi sagt: “Be the change you want to see in the world,” lebe selbst die Veränderung, die Du in der Welt bewirken willst. Dass das leicht ist, hat niemand jemals behauptet. Der erste Schritt könnte sein: Klick Deinen eigenen Like-Knopf und lass die Fassade fallen.